Michael Schultz Daily News Nr. 994
Michael Schultz Daily News Nr. 994
Madrid, den 6. August 2015 Anfang der 1980er Jahre wurde die ˈARCOˈ-Kunstmesse in Madrid gegründet. Ihre erste Ausgabe wurde 1982 präsentiert, und von Anfang an legten die Initiatoren großen Wert auf internationale Ausstellerbeteiligung. Die Repräsentanten, unter ihnen die seinerzeit noch in Sevilla ansässige Galeristin Juana de Aizpuru, reisten zur Akquisition quer durch die Welt. Ihre Bemühungen führten dazu, dass das Messeprofil von Beginn an mit einer hohen Beteiligung ausländischer Aussteller aufwarten konnte. Besonders die Galerien aus Mittel- und Südamerika hatte man im Auge. Ihnen richtete man regelmäßig Sondershows aus, so wurden u.a. die besten Galerien aus Costa Rica, Brasilien, Argentinien, Chile, Bolivien und Venezuela eingeladen. Unvergessen auch die Ländershow mit der Kunst aus Kuba. Gerne richtete man den Blick in die ehemaligen Kolonien. Später wurde das Länderprogramm erweitert; eingeladen wurden die Schweiz, Frankreich, Deutschland, die USA und eine ganze Reihe weiterer Kunstnationen. Bis zu 250.000 Besucher jährlich folgen dem ersten Blick aus dem Königshaus. Juan Carlos, und eigentlich alle Mitglieder seiner Familie, kommen und kamen regelmäßig zu Besuch. Im Gefolge die Ultra-Monarchisten, die nicht selten Kunstwerke erworben haben, mit denen sich der Ex-Monarch länger als sechzig Sekunden beschäftigte. Perfekt, wenn dann auch noch ein Foto mit ihm und der Neuerwerbung zu Stande kam. Die ˈArcoˈ ist mehr als nur eine Kunstmesse; der Besuch dort gehört zur gesellschaftlichen Pflicht. Wer nicht dort war, kann nicht mitreden. Doch nicht so sehr zum Kunstkauf schlendern die Besucher durch die Messehallen; für viele von ihnen ist die ˈARCOˈ-Visite vergleichbar mit einem Rundgang im Prado oder im Nationalmuseum Reina Sofía. Die Besucher werden aufgefordert, das interessanteste Kunstwerk oder auch den schönsten Messstand zu wählen. Der Kritikerverband tut dies ebenso, und so werden gegen Ende der Messe die Auserwählten mit großem Tamtam ausgezeichnet. Ja, es ist schon eine Ehre von den Kritikern erkoren geworden zu sein. So erging es auch unserer Galerie im Jahre 2014. Leider hatte dies zur Folge, dass wir für die Messe in diesem Jahr keine Zulassung mehr erhalten haben. Trotz der fachkundigen Auszeichnung des Kritikerverbandes, wurde uns der Zutritt vom Zulassungskomitee verwehrt. Die spanischen Sammler, die uns über Jahrzehnte begleiten, waren nicht wirklich schockiert. Spanien sei im Kern eben immer noch immer eine kleine Bananenrepublik, und Korruption gehört auch im 21. Jahrhundert zu den best- gepflegtesten Errungenschaften. Im Entscheidungsgremium der ˈARCOˈ sitzen bis zu 30 Honoratioren; vom Präsident der Industrie- und Handelskammer bis hin zum Direktor der Madrilener Flughafengesellschaft. Jeder, der in der Stadt was zu sagen hat, darf mal mitentscheiden. Die wenigen fachkundigen Kollegen werden im anonymen Punktsystem nicht selten von den Unkundigen überstimmt. Mindestens einen von denen muss man kennen, ansonsten ist die Zulassung alljährlich ein Lotteriespiel. Wir für unseren Teil haben den Fehdehandschuh aufgenommen und werden uns vorläufig für diese Messe nicht mehr bewerben. Die spanischen Sammler sind uns nicht böse; die individuelle Betreuung außerhalb des Messerummels wird dankbar angenommen. Selbst im Hochsommer bei nahezu 40 Grad ist Haus und Tor geöffnet. Aus London erreichte uns die Meldung, dass es den Künstlern Sam Bompas und Harry Parr gelungen ist, den Inhalt einer Schnapsflasche zum Kunstwerk zu machen. In einer Bar können die Besucher ihren Drink nicht nur trinken, sondern bei 140 Prozent Luftfeuchtigkeit einatmen und über die Augen aufnehmen, wurde über das Netz verbreitet. Den Besuchern der 'Alcoholic Architecture' wird empfohlen, einen Schutzanzug tragen. Tun sie das nicht, stinken die Kleidung und die Haare sehr stark nach Alkohol. Anstatt seinen Feierabend-Drink in überteuerten Cocktailbars oder brechend vollen Pubs zu trinken, kann man sich in London seit Freitag einfach mitten in sein Getränk stellen. Eine Kunstinstallation ermöglicht es seinen Besuchern, sich an einer Nebelwolke aus Alkohol zu berauschen. Im Borough Market, unweit der London Bridge, wandeln die beiden Künstler eine Cocktailkarte für ein halbes Jahr in ein raumfüllendes Erlebnis um. Zu diesem Zweck ziehen sich die Gäste Plastikponchos an. Danach geht es gruppenweise in eine von mehreren Kammern, in denen jeweils eine andere Geschmacksrichtung in der Luft liegt. In den Kammern herrschen 140 Prozent Luftfeuchtigkeit. Raumbefeuchter wandeln darin Cocktails in dicken Nebel um, die Sicht geht kaum über einen Meter hinaus. Aber auf Optik und Einrichtung kommt es in der Kunstinstallation auch nicht an. Es geht um Geschmack sowie darum, den Rausch des Alkohols intensiver zu erleben als üblich. Dadurch, dass man komplett vom Cocktail eingehüllt ist, gelangt der Alkohol über die Lungen und die Augen in die Blutbahn. Die Wirkung sei laut den Künstlern 40 Prozent effektiver als beim Trinken, schreibt die britische ˈDaily Mailˈ. 'Verantwortungsbewusst atmen' heißt das Motto der Kunstinstallation. Damit es nicht zum Komaatmen ausartet, darf jeder Besucher sich nur maximal eine Stunde im Nebel aufhalten. 'Da sich die "Alcoholic Architecture" auf dem Gelände einer der ältesten gotischen Kathedralen Großbritanniens befindet, ist die Getränke- beziehungsweise Nebelkarte von den Rezepten britischer Mönche inspiriert. So stehen beispielsweise die Kräuterliköre Bénédictine und Chartreuse zur Auswahl. Dazu werden die Gäste der Bar mit Mönchsgesängen beschallt', schreibt 'Die Welt' dazu. Umgerechnet 18 Euro zahlt man für eine Stunde in der Wolke – in vielen Londoner Bars kommt man pro Cocktail kaum günstiger weg. Na dann, nichts wie weg nach London. |
||
|