Michael Schultz Daily News Nr. 992

Michael Schultz Daily News Nr. 992

Berlin, den 4. August 2015

wirklich gute Kulturpolitik in Berlin zu organisieren war schon immer ein schweres Geschäft. Charismatische Politiker wie  Volker Hassemer, Wilhelm Kewenig, Peter Glotz oder auch Christoph Stölzl haben das Amt stilvoll ausgefüllt. Es gab aber auch Kulturpolitiker, die keinerlei Spuren hinterlassen haben und deren Gesichter schnell in Vergessenheit geraten sind; dazu gehören u.a. der PDS-Politiker Thomas Flierl oder die nur kurz im Amt tätig CDU-Politikerin Christa Thoben.

Im Rahmen einer Senatsverkleinerung übernahm nach seiner Wiederwahl im Jahr 2006 der regierende Bürgermeister Klaus Wowereit auch das Amt des Kultursenators, und dies behielt er bis zu seinem Ausscheiden vergangenen Dezember. Bei der Übergabe an seinen Nachfolger wurde auch das Senatorenamt mit vererbt. Michael Müller (SPD), der durch den Rücktritt von Wowereit ins Amt gehievte neue Regierende, ist seitdem auch für die Kultur in der Stadt zuständig, und er fühlt sich wohl in seinem Doppelamt. So wohl, dass er ohne Nöte jetzt gerade ankündigte, dass er den Senatorenposten auch nach seiner angestrebten Wiederwahl im nächsten Jahr  beibehalten will.

Er wolle die Doppelbelastung auch in Zukunft auf sich nehmen, weil ihm die Arbeit als Kultursenator Freude bereite. Notwendig wäre das nicht, weil die Landesverfassung durch das Abgeordnetenhaus so geändert wurde, dass künftig wieder zehn Senatoren plus regierender Bürgermeister möglich sind. Bisher waren lediglich acht Senatorenämter erlaubt, sodass es keinen eigenständigen Kultursenator gab.

Auch, wenn die wirkliche Kulturarbeit in Berlin von einem Staatssekretär gemacht wird (augenblicklich ist dies Tim Renner),  so traut man in der Stadt nicht wirklich dem allseits farblos wirkenden SPD-Politiker die Verantwortung für Berlins höchstes Kulturgut zu. Als ehemaliger Senator für Bau- und Wohnungswesen und langjähriger Fraktionschef kümmerte sich Michael Müller mehr um die Belange der Wohnungswirtschaft und die seiner Partei. Wie sensibel man in Berlin auf nicht kompetente Kulturarbeit reagiert, musste aber auch sein Staatssekretär in der Diskussion um die Zukunft der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz erfahren. Heftige Schelte wurde beiden zuteil.

Müller, dem jedes Charisma für kulturpolitische Leidenschaft fehlt, würde gerne oberster Kulturpolitiker bleiben. Natürlich hängt dies von seiner Wiederwahl und den Neigungen seines Koalitionspartners ab. Auch, wenn seine jetzigen Partner von der CDU mit ihrer ablehnenden Haltung zur vollumfänglichen Gleichstellung in der Homo-Ehe, ein kulturpolitisch grobes Foul begangen haben, würde Michael Müller die große Koalition auch nach der bevorstehenden Wahl gerne weiterführen. Sensibilität auch im Groben, das war noch nie sein Ding. Müller ist ein reiner Machtpolitiker, und die, dass wissen wir aus den unzählig bekannten parteipolitischen Rochaden, gehen für den Machterhalt auch schon mal mit der Hacke durchs eigene Gehirn.

Viel Geld und Energie will er in Neustrukturierung und Neubau der zentralen Landesbibliothek stecken. Das war schon ein Lieblingsthema seines Vorgängers Wowereit, der mit seinem Plan, den Neubau auf dem ehemaligen Tempelhofern Flughafen unterzubringen, gescheitert ist. Müller prüft jetzt den Um- und Ausbau der Amerika-Gedenkbibliothek. Auch das, ein in der Vergangenheit  gescheitertes und verworfenes Vorhaben.

Nach vorne schauen, ein unbeliebter, weil anstrengender, und aufwendiger Schritt ist jetzt gefordert. Besonders im Hinblick auf die allseits gegenwärtige Subkultur. Diese zu fördern, gehörte einst mit zur Leidenschaft von Volker Hassemer. Mit seinem professionellen Blick wurden die Weichen für das heutige hohe kulturelle Ansehen Berlins geschaffen. Daran gilt es anzuknüpfen, sodass sich Berlin auch noch in zwanzig Jahren mit den Ergebnissen seiner ständig weiterbetriebenen kulturellen Wertschöpfungen sehen lassen kann.