Michael Schultz Daily News Nr. 987

Michael Schultz Daily News Nr. 987

Berlin, den 28. Juli 2015

die gerade begonnene Sommerpause war ursprünglich dafür geschaffen, dass sich die arbeitende Bevölkerung mitsamt ihrem Nachwuchs von den Strapazen ihres Tuns erholt. Die Verordnung wird vom Gesetzgeber unterstützt: die großen Ferien finden grundsätzlich zwischen Anfang Juli und Ende August statt. In dieser Zeit gibt es die größte Völkerwanderung bei uns im Land. Flughäfen und Autobahnen sind grundsätzlich überfüllt; besonders die Destinationen gen Süden. Österreich, Italien, Spanien, Griechenland und die Türkei gehören zu den Lieblingszielen. Alles, was weiter weg ist, besonders die sonst so beliebten Ziele in Nordafrika, wurden wegen der Terrorgefahr von der Agenda gestrichen.

Doch der Deutsche freut sich, endlich Urlaub, und das ist ja immer auch ein wenig Flucht vor dem Alltag. Für die zu Hause gebliebenen wird ein wenig Spektakel organisiert; jetzt beginnt für die B-Liga der deutschen Unterhaltungsindustrie die Hauptsaison. Sie tingeln über die Dörfer und bespaßen die Landbevölkerung. Auch das hat was.

Weil auch der Bundestag seine Abgeordneten in die Sommerfrische entlassen hat, ist die offizielle Nachrichtenlage recht dünn. Man spricht von Sommerflaute. Doch auch hier ist Hochsaison, im Speziellen für die sonst nicht wirklich zu Wort kommenden Hinterbänkler der Polit B-Liga. Jeder, der was Unbedeutendes zu sagen hat, tut es jetzt; die Flaute ist ihm dankbar.

Die gerade laufende aktuelle Diskussion über Sinn und Unsinn eines eigenen Kanzlerkandidaten der SPD ist bestes Beispiel dafür. Diejenigen unter den Abgeordneten, die sich keinen Urlaub leisten können, sind im Sommer die gefragtesten, jetzt schlägt ihre Stunde. Rundfunkanstalten und Fernsehsender buhlen geradezu um sie. Weil es keine anderen gibt, ist ihre Meinung jetzt besonders wichtig. Sie kommen im Fernsehen, und werden auch schon mal außerhalb ihrer Heimatzeitungen erwähnt. Die nächste Wahl steht vor der Tür; bei der Kandidatenaufstellung sind die Hinweise auf ihre überregionale Bedeutung von enormer Wichtigkeit.  

Listenplatz ist das Zauberwort. Je weiter man sich nach vorne geschmeichelt hat, desto weniger nervenaufreibend ist der Wahlkampf. Also nutzen die weniger etablierten das Sommerloch, um endlich mal aus dem Schatten ihres Wahlkreises auszubrechen. Dass dabei nicht selten viel Stuss geredet wird, stört kaum. Der Halbzeitwert der Politikerworte ist ohnehin recht dünn.

Doch auch in der Kernarbeitszeit der Politprofis kommt viel Unausgegorenes auf den Markt. Bestes Beispiel hierfür ist das von der Kulturstaatsministerin geplante Gesetz zum Kulturgutschutz.  Ein erster 'Referentenentwurf', kam laut Ministerin auf den Markt, und dieser erregte die Gemüter. Angeblich war der Inhalt noch nicht mit ihr abgestimmt; dieser sorgte für Aufstand. 'Von geplanter Enteignung war die Rede, von Methoden, die in der jüngeren deutschen Geschichte allzu bekannt seien', beschrieb der 'Spiegel' ein Szenario vom 'drohenden Untergang des deutschen Kunstmarktes'.

Führende Marktteilnehmer schrieben einen offenen Brief an die sonst hochgeschätzte Kulturpolitikerin. Diesen nahm sie zum Anlass, um ein von ihr einberufenes Treffen mit den Spitzen des Kunsthandels, Sammlern und Museumsfachleuten ersatzlos zu streichen. Ohne vorherige Diskussion mit  Fachverbänden soll die Gesetzesnovelle dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt werden; über das Ergebnis könne man ja dann reden, wenn das Gesetz beschlossen sei. So die pikierte Ministerin. Anstatt den Referenten in die Wüste zu schicken, der die Veröffentlichung des Unausgegorenen organisierte, werden diejenigen mit Missachtung bestraft, die die Schwachstellen im Entwurf aufdecken und kritisierten.

Ihre letzte Bundestagskandidatur  war mit dem Listenplatz 1 der Berliner CDU abgesichert. Dort ist sie seit Jahren fest im Parteivorstand verankert. Also muss sich Frau Grütters keine Sorgen um ihre politische Zukunft machen. Auch dann nicht, wenn der stärkste Gegenwind zu ihrem Kulturgutschutzgesetz vom Urklientel ihrer Wählerschaft kommt. Die Kulturstaatsministerin hat ihren (wohlverdienten) Urlaub angetreten; noch ein bisschen Bayreuth und dann ab in die Ferien.

Gönnen wir es ihr. Stressabbau führt ja bekanntermaßen mitunter auch zu neuen Erkenntnissen. Für den kulturellen Gemeinfrieden wäre es gut, wenn dieser auch zu einer unabdingbaren Aussprache über die Gesetzesnovelle führen würde.

Die Freischaffenden unter uns haben es da viel einfacher. Urlaub wird nicht verordnet, den gibt es erst nach getaner Arbeit. Auch das hat was.