Michael Schultz Daily News Nr. 974
Michael Schultz Daily News Nr. 974
Berlin, den 9. Juli 2015 folgt man den neuerlichen Erkenntnissen, dann wurden die deutsche Politik und Wirtschaft seit den frühen 90er Jahren von unseren amerikanischen Freunden bespitzelt und abgehört. Ein ungeheuerlicher Vorgang, der vom Kanzleramt geschweige denn der Kanzlerin weder kommentiert, bewertet, abgewiesen, bestätigt oder gar verworfen wird. Das offizielle Berlin reagiert nicht; man schweigt und hofft, wie so oft, auf die Magie des Aussitzens. Umfangreicher als bislang bekannt, wurde abgehört und mitgenschnitten, berichtet WikiLeaks. Betroffen waren neben der Regierung von Angela Merkel offenbar auch die Regierungen ihrer Vorgänger Gerhard Schröder und Helmut Kohl. Neben Politikern waren Top-Beamte im Visier, die für Außenpolitik und Geheimdienste zuständig waren. Die Regierung erklärt, man prüfe die WikiLeaks-Unterlagen. Aus untergeordneten Regierungskreisen heißt es, man wundere sich in dieser Sache über nichts mehr. Vieles spricht dafür, dass diese neuen Enthüllungen nicht aus dem Fundus von Edward Snowden stammen. Nicht auszuschließen, dass es weitere Quellen im Innersten der NSA gibt, die zu sprudeln beginnen. Ein ungeheuerlicher Vorgang, der es zumindest verdient hätte, mal von ganz oben mit deutlichen Worten kommentiert zu werden. Doch Angela Merkel hält sich vornehm zurück; jede Äußerung dazu würde das Schandmal noch weiter aufreißen. Das weiß sie, und deshalb nimmt sie mit Demut hin, worüber sich ihr Volk fürchterlich aufregt. Die Kanzlerin weilt derzeit auf Kurzvisite am Balkan. Albanien war gestern ihre erste Station. Bei einem Treffen mit Premier Edi Rama sicherte Merkel dem Land die Unterstützung Deutschlands auf dem angestrebten Weg in die Europäische Union zu. In Serbien versprach Merkel Hilfe bei der Bewältigung der steigenden Flüchtlingszahlen. Mit 1.000 Flüchtlingen am Tag sei Serbien zum Transitland geworden, sagte Merkel. Man werde diesen Ländern helfen müssen, versprach sie auch mit Blick auf das serbische Nachbarland Ungarn. Gut möglich, dass im Hinblick auf die nicht vorhersehbaren Geschehnisse in Griechenland jetzt schnell die noch offen klaffende Lücke Europas geschlossen werden soll. Folgt dem Grexit auch der Exit, dann wären die Grenzen zur Türkei und weiter zur ISIS ganz weit geöffnet. Der Balkan könnte die Rolle des Bollwerks übernehmen. Immerhin traf die Kanzlerin in Albanien auch mit der Kunst zusammen: im Arbeitszimmer von Edi Rama konnte sie sich mit dessen aktuellen 'Tagesblättern' auseinandersetzen. Im Erdgeschoss des Regierungssitzes kam es zu einer kurzen Begegnung mit Thomas Demand, der sich derzeit in Tirana aufhält. Es wurden einige Höflichkeiten ausgetauscht, mehr nicht. Das Verhältnis zur Bildenden Kunst ist bei der Kanzlerin ohnehin nicht ausgeprägt; sie reist lieber nach Bayreuth und lauscht den teutonischen Klängen der Musik von Richard Wagner. Sigmar Gabriel, Vizekanzler und SPD-Vorsitzender, kämpft mal wieder um seine Reputation. Dabei ist ihm nichts heilig. Mit seinen Anmerkungen zu Griechenland hat er die Hardliner der Union ganz weit rechts überholt. In den neuesten Umfragen der Wahlforscher allerdings schlägt sich das nicht nieder: die SPD verharrt stabil auf 23 Prozent. Union 42, Grüne 11, Linke 10, die FDP käme auf 5 und die AfD auf 4 Prozent. Nur in der Kanzlerfrage hat sich der Abstand der Kandidaten etwas verkleinert: Sigmar Gabriel würden bei einer Direktwahl 15 Prozent wählen, ein Punkt mehr als in der Vorwoche. Angela Merkel käme auf 56 Prozent. Auf der Website www.deinespd.de kritisiert das SPD-Mitglied Björn Uhde den Kurs von Parteichef Sigmar Gabriel. Uhde wirft Gabriel nicht so sehr seine inhaltlichen Positionen vor als vielmehr seinen Schlingerkurs. Der Autor tadelt vor allem Gabriels Haltung zu ˈPegidaˈ und der Vorratsdatenspeicherung. Er beklagt mangelhafte Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit. Innerhalb der SPD treffen die Ausführungen einen Nerv - Uhdes Text wird von Spitzengenossen in Berlin fleißig verschickt, vermelden die 'Süddeutsche' und der 'Tagesspiegel' heute. Anton Hofreiter, Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Deutschen Bundestag, ruft alle Beteiligten in der Griechenland-Krise zu mehr Ehrlichkeit auf. Zur Lösung der Schuldenkrise müsse die griechische Regierung zugeben, dass tiefergreifende Reformen notwendig sind, sagte er. Athen sei im Moment nicht in der Lage seine Schulden zurückzuzahlen, die Sparauflagen zu erfüllen und gleichzeitig Reformen umzusetzen. Das müsse auch Kanzlerin Angela Merkel endlich offen benennen, fordert Hofreiter laut 'Berliner Tagesspiegel'. In unserer Sprache tauchen in regelmäßigen Abständen Wortbildungen auf, die an Peinlichkeit kaum zu übertreffen sind. 'Fremdschämen' ist eine davon. Von den Österreichern im Jahre 2010 zum Wort des Jahres gekürt, soll damit ausgedrückt werden, dass man sich an Stelle des gegenüber für dessen Verhalten schämt. Diejenigen derjenigen, denen die Scham die Röte ins Gesicht treibt, dürften bei den allgegenwärtigen Schamgründen nur noch mit hochrotem Kopf durchs Leben wandeln. Sich für die Handlung oder Äußerungen eines Dritten heimlich zu schämen, macht kaum Sinn. Die Auseinandersetzung suchen, Position beziehen und aufklären. Darauf kommt es an. In diesem Sinne.
|
|
Our mailing list is kept strictly confidential and we will not supply your email to any person under any circumstances. We endorse the guidelines regarding the sending of spam ("junk" email). You have received our newsletter because you have previously subscribed to our mailing list (online/art fair/gallery/mail). If for any reason you do not wish to receive further copies we apologize for any inconvenience and ask you to please send a e-mail with subject stop to stopnews@galerie-schultz.de |