Michael Schultz Daily News Nr. 962
Michael Schultz Daily News Nr. 962
Berlin, den 23. Juni 2015 noch ist nichts in trockenen Tüchern, aber so wie es aussieht, wird sich Europa in den nächsten Tagen mit den in der Klemme sitzenden Griechen auf weitere finanzielle Hilfen einigen. Ministerpräsident Tsipras legte gestern ein verändertes Sparprogramm vor, schon heute beurteilt die ˈFAZˈ die neue Situation mit einem 'vorsichtigen Lob für die Athener Reformpläne'. Es ist also endlich was in die Gänge gekommen, und erstmals seit langem signalisieren die Bilder aus Brüssel Entspannung. Das Lächeln der Politiker ist zurückgekehrt, und mit ihm sorgen auch kräftige Ausschläge an den Finanzumschlagplätzen für positive Stimmung. Einzig unsere Kanzlerin und ihr stets pessimistisch dreinschauender Finanzminister mahnen weitere Einschnitte an. Dies sei zwar ein guter Weg in die richtige Richtung, aber auch die neuen Sparvorschläge reichen noch nicht aus, lassen Merkel und Schäuble unisono verkünden. Was auch anderes können sie tun, wenn mittlerweile eine deutliche Mehrheit bei uns im Land die Griechen gar nicht mehr in Europa haben will. Im von ihr selbst aufbeschworenen ˈNeinˈ zu Griechenland fehlen der Kanzlerin der Demoskopie augenblicklich noch die Argumente zum Rückzug. Ratspräsident Juncker hingegen ist davon überzeugt, dass es jetzt sehr schnell zu einer Einigung kommen wird. Die Finanzmärkte haben deutlich auf die neue Situation reagiert. Der deutsche Aktienindex wurde von den Hoffnungen auf ein nahendes Ende des Schuldenstreits geradezu beflügelt, und machte gestern mit 3.81% Plus den größten Tagesgewinn seit Anfang August 2012. Auch der MDax zog mit 2.32 Plus kräftig an, und der Technologiewerte-Index TecDax legte 2.23% deutlich zu. Ebenso die Börse in Tokio wurde durch die positiven Signale aus Europa stimuliert; der Nikkei-Index verbesserte sich um 253,95 Punkte auf 20.428,19 Zähler. Die entspricht einem Anstieg um immerhin 1.26 Prozentpunkte. Diese Zahlen sprechen für sich. Nirgendwo deutlicher als in den Analysen der Finanzwirtschaft wird vor einem wie auch immer gearteten Grexit gewarnt. Alleine schon die gestern zaghaft in Aussicht gestellte Formulierung auf Einigung ließ die Börsen in die Höhe jagen. Für die von positiver Stimmung abhängige Kanzlerin gibt es augenblicklich keine bessere Argumentation, als den Aufschwung der Börsen und das zufriedene Lächeln von Jean-Claude Juncker zum Anlass für eine Kehrtwende ihres harten Griechenland-Kurses zu nehmen. Es wäre jetzt auch eine gute Gelegenheit, ihrem Volk zu erklären, dass neue Gelder die Griechen erst gar nicht erreichen. Damit werden einzig und alleine Zinsen für bestehende Schulden bezahlt; der Jubel von den Börsenplätzen - ein sicherer Beleg. Ein Prozent Wachstum sollen die Griechen im laufenden Jahr liefern. Um dieses zu erreichen, verschönern sie ihre Bilanz; weniger Renten werden ausbezahlt, die Steuern sollen erhöht werden, und auch am Wehretat will man sparen. Doch wer genau hinschaut, erkennt ganz schnell die Mogelpackung; nicht durch mehr Wirtschaftsleistung kommt das Land aus der Krise, der enorme Sparkurs soll das Verhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben nivellieren. Nicht mit Substanz müssen jetzt die Griechen Europa überzeugen; ihre Zahlen müssen stimmen, auch wenn am sie am Ende das Land noch weiter in die Krise führen. Europa will ein Plus sehen; egal wie es zustande kommt. Gespannt also warten wir auf morgen. Dann wieder trifft man sich in Brüssel. Kommt es zu der in Aussicht gestellten Einigung, müssen Skeptiker wie Merkel und Schäuble ihr Volk mitnehmen und Ruhe in die Debatte bringen. Schaffen sie das nicht, wird es an den Urnen spürbar. Die Nachrichten aus Brüssel überschatten augenblicklich alles andere. So auch die ˈARDˈ-Textmeldung, dass das Berliner Philharmonische Orchester nun endlich mit Kirill Petrenko einen neuen Orchesterchef gefunden hat. Die Musiker hätten den 43-jährigen zum Nachfolger von Simon Rattle gewählt, wurde gestern bekannt gegeben. Wann der neue Chef seinen Dienst antreten wird, sei noch Thema weiterer Verhandlungen. Petrenko ist derzeit bei der Bayerischen Staatsoper beschäftigt, sein Vertrag dort läuft noch bis 2018. In Berlin ist er kein Unbekannter, in den Jahren zwischen 2002 und 2007 war er Generalmusikdirektor an der Komischen Oper. Aus Budapest grüßt Bernd Kirschner, der sich auf Einladung einer Künstlerinitiative dort zu einem Work- and Residence-Programm befindet. Am Donnerstag dieser Woche werden in der von Künstlern betriebenen 'Art Factory' die Ergebnisse seiner Arbeit ausgestellt. Nach Andy Denzler und Sabina Sakoh ist Bernd Kirschner bereits der dritte Künstler aus unserem Programm, der zu diesem begehrenswerten Stipendium eingeladen wurde. Bei uns in Berlin ist noch bis zum Wochenende die empfehlenswerte Ausstellung von Rebecca Raue zu sehen. Wer sie also noch nicht gesehen hat, kann dies bis einschließlich Samstag nachholen. Treffend zu den großen Themen unserer Zeit, veröffentlichte die 'Berliner Zeitung' unter der Überschrift 'Akropolis adé' vergangen Donnerstag eine Ausstellungsbesprechung von Ingeborg Ruthe. Nachzulesen unter https://schultzberlin.com/de/newsticker
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