Michael Schultz Daily News Nr. 958
Michael Schultz Daily News Nr. 958
Zürich, den 17. Juni 2015 'Viel Kunst, ein wenig Nacktheit, ein wenig Prominenz'. So überschreibt die 'Baseler Zeitung' eine erste kleine Abhandlung zur Eröffnung der diesjährigen 'Art Basel'. In der Unterzeile wird es dann ein bisschen konkreter: 'Auch ein Stückchen Hollywood ließ sich blicken'. Damit gemeint war das Sichten von Leonardo DiCaprio, der nach zweijähriger Messeabstinenz wieder in Basel aufgeschlagen ist. Zu sehen war allerdings nichts von ihm, weil eine Horde aufgeregter Bodyguards einen undurchdringbaren Sichtring um ihn bildete. Nicht auszuschließen, dass dadurch dem Hollywoodstar so mancher Blick auf gute Kunst verwehrt blieb. Alles geht dann halt doch nicht. Immer gut drauf hingegen, ein kleines Scherzchen auf den Lippen und ein Foto für jedermann: Eva und Adele. Seit Menschengedenken gehört das Berliner Kultduo zum festen Bestandteil angesehener Kunstevents; dort wo sie auftreten ist angesagt. Ohne die beiden, die im Übrigen als Mann und Frau eine glückliche Ehe führen, würde es so mancher Pre-Preview an Würze und Esprit fehlen. 'Wir kommen aus der Zukunft', so die Antwort auf die Fragen ihres Tuns. Wer's versteht kann damit umgehen - wer nicht, erfreut sich an ihren täglich wechselnden und bis ins letzte Detail identisch ausgearbeiteten Outfits. Natürlich gehört die Prominenz dazu. Sehen und gesehen werden, darauf kommt es an; und wer da dabei sein darf, beim dem sitzt an solchen Tagen der Griff in die Brieftasche weitaus lockerer als sonst. Ein ausgeklügeltes Vorbesichtigungssystem teilt die Kaste: 'First Choice' für die ganz wichtigen; 'Preview' für die den zweiten Blick würdigen (beides mit fließendem Übergang gestern). Doch auch dem normalen Volk wird der Gang in die heiligen Messehallen mit Wichtigkeit versüßt: 'VIP Opening Day Two', (heute) so der Titel für das, was in den Galerien mit Ausstellungseröffnung umschrieben wird. Das machen sie gut die Schweizer, der Kunde wird zum König und als solcher umgarnt. Ein unsäglicher Run auf die Karten bestätigt dies. Auf 51 Milliarden Euro wurde für das Jahr 2014 der globale Umsatz im Kunstmarkt geschätzt. Auf den Auktionen purzeln die Weltrekorde am laufenden Band, viele Rekordmarken haben einen weiten Sprung über die 100 Millionengrenze gemacht. Der Hype ist ungebrochen, und weil die Anzahl der Marktteilnehmer stetig steigt, und enorme Geldmengen verfügbar sind, auch die Margen anständig sind, wird das noch viele Jahre anhalten. Schon in den ersten Stunden wurde gestern auf der 'Art Basel' verkauft was das Zeug hielt. Reservierungen, die nicht innerhalb einer halben Stunde bestätigt waren, sind verfallen, die Kunstwerke wurden an Platz zwei auf der Begehrtenliste vergeben. Pech gehabt. Auffällig auch die enorm hohen Preise, die aufgerufen wurden: für Klassiker wie Man Ray, Max Ernst, Egon Schiele, Cy Twombly, Hans Arp und Kurt Schwitters etwa, liegen die Basler Messepreise um ein knappes Drittel höher als im normalen Galeriengeschäft. Hinzu kommt, dass die Bereitschaft zur Verhandelbarkeit (wenn überhaupt) nur recht gering vorhanden ist. Nicht wenige lassen sich darauf überhaupt nicht ein. Basel hat seine eigenen Gesetze, nur dort werden die hohen Preise erzielt, und anscheinend widerstandslos akzeptiert. Leider spürt man das mitunter auch. Zuvorkommenheit und Höflichkeit beim Verkaufspersonal hält sich in Grenzen. Inhaltliche Diskussionen sind kaum möglich; wer sich nicht schnell genug entscheidet, gerät aus dem Aufmerksamkeits- und Blickfeld der Verkäufer. Ganz schnell sind sie beim nächsten Kunden. Der Hype machts möglich, und solange dieser anhält, verrohren auch ein wenig die Sitten. Doch auch ganz viel gute Kunst gibt es zu sehen, sie entschädigt für die spürbar abhandengekommene Aufmerksamkeit. Bei Annely Juda ist es eine wunderbare Serie von vier grafischen Werken von David Hockney, und bei Peter Blum die Malerei von Daniel Rich (Foto). Seine malerische Umsetzung eines architektonischen Kunstwerks dechiffriert einerseits des Baumeisters primitive Grundvision, bestärkt aber dessen Eigenwilligkeit, und macht sichtbar, wozu der reale Betonklotz nur schwerlich in der Lage ist: die simple Nachempfindung eines Mühlsteins. Um Großes aus den Sparten anderer Künste zu verstehen, dazu braucht es eben manches Mal die Malerei. |
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