3D - Stephan Kaluzas neues Theaterstück

Tuesday, February 3, 2015

Premiere am 27.1. 2015 im Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspielhauses

http://www.duesseldorfer-schauspielhaus.de/de/index/spielplan/alle-stuec...

 

Mit
Tanja Schleiff, Michael Abendroth
 
Regie – Kurt Josef Schildknecht
Bühne – Stephan Kaluza
Kostüme – Annina Dupuis
Sounddesign –  Marco Hugo Schretter
Dramaturgie – Dirk Diekmann

Vor über 20 Jahren verließ Bette ihren Mann Albert und verschwand mit der gemeinsamen Tochter Clara nach Amerika. Nun taucht sie plötzlich wieder auf. Die erneute Begegnung  entwickelt sich zu einem Drama, in dem die Fakten der gescheiterten Ehe zu einer psychologischen Kriegsführung genutzt werden. Immer neue Wirklichkeiten werden aufgedeckt, und das Stück wird allmählich zu einem Krimi: über den Missbrauch  i n  der Liebe und den Missbrauch  d e r  Liebe, der letztlich in der gegenseitigen Abhängigkeit endet. Stephan Kaluzas 3D spielt mit der scheinbaren Objektivität des Zuschauers. Wie bei  der Betrachtung eines Vexierbildes entstehen immer wieder neue Realitäten – auf der Bühne und im Kopfe des Zuschauers.

Der Düsseldorfer Künstler Stephan Kaluza setzt auch als Schriftsteller starke Zeichen. Er tritt mit Publikationen in den Bereichen Prosa, Dokumentation und Dramatik hervor. Dem Düsseldorfer Schauspielhauspublikum stellte er sich mit Atlantic Zero im Central vor, ein Stück, das die Grundlage für den folgenden Roman 30 Keller lieferte. In seinen Bildstücken inszeniert er Theatertexte und Performances als stillstehende, simultan erlebbare Bilder, die unter anderem im Zendai Museum of Modern Art in Shanghai, im National Museum of Modern and Contemporary Art in Seoul, im Museum on the Seam in Jerusalem und in der Kunsthalle Düsseldorf gezeigt wurden. Außerdem hat er eine Dozentur für Regie am Mozarteum in Salzburg inne. Für 3D gestaltet Stephan Kaluza das Bühnenbild.

Rezension im WDR vom 28.1.2015:

Der Maler und Fotograf Stephan Kaluza ist mit raumgreifenden Arbeiten bekannt geworden. Für sein „Rheinprojekt“ hat er den ganzen Flusslauf abgewandert, oder ist er den ganzen Flusslauf abgewandert, hat minütlich die Uferansicht fotografiert und diese 35 Fotos dann zu einem einzigen zusammengesetzt. Seit einigen Jahren ist Kaluza aber auch als Dramatiker und Theaterregisseur zu erleben. Gestern Abend hatte sein Stück 3D Premiere am Schauspielhaus Düsseldorf. Eine Geschichte über familiären Missbrauch, der aber erst nach langer Zeit aufgeklärt wird.

Gerrit Stratmann hat das Stück für uns gesehen.

Moderatorin: „Gerrit Stratmann, das ist ein 2-Personen-Stück, das heisst auch, dass die Geschichte, dass die Wahrheit eigentlich in ja, in mindestens 2 Erzählungen zum Vorschein kommt, oder?“

GS: „Auf jeden Fall. Hier treffen 2 Personen aufeinander, die – wie sich im Laufe des Stückes herausstellen wird, ganz gegensätzliche Angaben darüber machen, wie ihre gemeinsame Vergangenheit verlaufen ist und das ist bei einem 2-Personen-Stück ist das Ganze sehr auf das Wesentliche reduziert, es ist ein sehr konzentriertes Geschehen.

Diese beiden Schauspieler, Tanja Schleiff und Michael Abendroth,  haben hier unter der Regie von Kurt Josef Schildknecht, wirklich mit einem sehr schnörkellosen Spiel eine sehr dichte Atmosphäre geschaffen und die Dialoge von Stephan Kaluza erzeugen dabei auch so eine Spannung, die wirklich gut über diesen gesamten Abend trägt und auch für einige Überraschungen sorgt.

Worum geht’s? Das Stück beginnt eigentlich damit, dass sich Albert und Bette nach 20 Jahren wiedersehen. Diese Beiden waren mal verheiratet, bis Bette dann mit der gemeinsamen Tochter Clara Albert verlässt. Albert hat das nie so ganz verwunden, denn die Zimmer seiner Frau und seiner Tochter, die sind immer noch genauso eingerichtet wie vor 20 Jahren damals. Und als Bette ihn jetzt besucht, ist er aufgeregt, weil er eigentlich merkt, er, ja, jetzt, nachdem  er so seine Firma verkauft hat, nachdem er ausgesorgt hat, nachdem er im Ruhestand ist, da möchte er eigentlich wieder da mit Bette weitermachen, wo er damals aufgehört hat. Das jedoch will Bette auf keinen Fall, denn sie hat das Leben mit Albert nicht ganz so rosig in Erinnerung, wie er es sich ausmalt.“

O- Ton Abendroth: „Ich habe dich immer gut behandelt.“

O-Ton Schleiff: „Ich habe das anders in Erinnerung. Ich hatte Angst vor Dir. Panische Angst sogar. Manchmal.“

O-Ton Abendroth: „Was? Angst?“

O-Ton Schleiff: „Davor, dass Du mir wieder alles befiehlst. Und vor Deiner Kraft. Du hast mir einmal fast die Hand gebrochen.“

O-Ton Abendroth: „Was?“

O-Ton Schleiff: „Ja. „

O-Ton Abendroth: „Also sicher nicht.  Ich war immer gut zu Dir.“

O-Ton Schleiff: „Nein, das warst Du nicht.“

Moderatorin: „Ja, wie man merkt ist hier noch einiges nicht geklärt und ein Aspekt ist sicherlich auch noch interessant, das nämlich selbst die Identität der Personen sich noch ändert im Lauf des Stücks.  Es sind also wahrscheinlich doch mehr als zwei Dimensionen.

Ist der Titel 3D, bezieht er sich darauf , auf die Mehrdimensionalität dieser Vergangenheitsbewältigung?“

GS: „Genau. Dieser ganze Abend kulminiert eigentlich dann in dem Vorwurf, dass Albert die gemeinsame Tochter, Clara, als Kind missbraucht hat, was er strikt leugnet. Für Bette war das aber eben der Grund, ihn zu verlassen und diese drei Perspektiven, die werden im Grunde an dem Abend dargestellt. Eben die Perspektive des Vaters, die Perspektive der Mutter, und auch die Perspektive von Clara noch, von der Tochter. Und da treffen natürlich so, ja, verschiedene Ansichten aufeinander, dass das Publikum lange Zeit auch gar nicht weiß, wer hat jetzt recht und wie war es denn jetzt. Und aus dieser Unsicherheit zieht das Stück auch einen ja,  Großteil seiner Spannung.“

Moderatorin: „Stephan Kaluza kommt von der Bildenden Kunst, er hat das Bühnenbild gestaltet; ich hab am Anfang sein Rheinprojekt erwähnt,  wo er halt Fotos zusammensetzt, auch sozusagen eine neue Realität schafft aus vielen Bruchstücken. Gibt es hier Parallelen zu diesen frühen bildnerischen Arbeiten von Kaluza in dem Bühnenbild, was er gefunden hat, für diese Inszenierung?“

GS: „Ja. Das Bühnenbild ist so ne so ne, man könnte sagen eine White Box. Man kennt eine Black Box, wo man nicht weiß, was eigentlich im Inneren passiert. Auf der Bühne ist es das genaue Gegenteil, es ist eben eine, eine White Box, in der man genauestens verfolgen kann,  was die beiden Schauspieler da miteinander verhandeln, wie sie ihre Vergangenheit damit auch sezieren und Stephan Kaluza hat das, hat diese Bühne auch in einen großen, weißen Raum verwandelt, der bis auf vier Stühle, die da noch am Rande stehen, die sind ebenfalls weiß, und ein kleines Schränkchen, vollkommen leer ist, und auf diese hohen, weißen Wände werden eben zwischendurch Bilder geworfen.  Bilder, die das Gesagte und die Situation auf der Bühne noch mal so auf eigene Weise einordnen, oder auch kommentieren. Wenn Albert dann zum Beispiel davon spricht, wie er sich jetzt im Ruhestand nach Veränderungen sehnt in seinem Leben, da sieht man im Hintergrund das Bild eines Schmetterlings so an die Wand projiziert, der auch ne Metamorphose gerade durchgemacht hat. Oder wenn Bette über ihre Eheerfahrung mit Albert spricht, da sieht man schemenhaft so ein verzerrtes Gesicht, so ne, ja fast schon teuflische Fratze, die so erahnen lässt, wie sie die Ehe empfunden haben muss. Und mit diesen Mitteln wird eben dieser, dieser  Raum auch dezent als eigenständiger Kommentator quasi in die Inszenierung mit einbezogen, das hat Stephan Kaluza wirklich ganz schön gelöst.“

Moderatorin: „Ist  das ein Stück aus dem man mit einer gewissen Beklemmung rausgeht?“

GS: „Ja, ja es ist ein Abend, der einen als Zuschauer tatsächlich etwas verstört zurücklässt. Es hat gestern Abend auch ein bisschen gedauert, bis dann der Beifall einsetzte. Daran merkt man das ja schon, wie, ja, betroffen die Zuschauer dann auch waren. In diesem Sinne ist es auch sicherlich kein einfaches Unterhaltungsstück, aber ich sag mal, verstört zu werden, ist sicherlich nicht das Schlechteste, was einem im Theater passieren kann, insofern ist das aus meiner Sicht sicherlich ein empfehlenswertes Stück.“

Moderatorin: „Beifall für die Schauspieler, für die Inszenierung und für Kaluza. Was glauben Sie, wer hat den größten Anteil an diesem Erfolg?“

GS: „Die Schauspieler waren großartig, das Bühnenbild war ganz toll. Wie jetzt Herr Schildknecht mit den Schauspielern gearbeitet hat, erschließt sich im Nachhinein natürlich nicht mehr, aber er hat die Schauspieler wirklich sehr gut durch diesen Abend geführt.  Ich fands wirklich gut.“

Moderatorin: Gerrit Stratmann über das Stück 3D von Stephan Kaluza. Gestern war Premiere in Düsseldorf. Die nächste Vorstellung ist am Freitag, und weitere Termine gibt es dann im Februar und im März. Nähere Informationen finden Sie auch auf der Homepage unserer Sendung bei WDR3.de.

http://www.deutschlandfunk.de/schauspielhaus-duesseldorf-3d-zeigt-stepha...

Von Dorothea Marcus

Das Düsseldorfer Schauspielhaus, aufgenommen am 26.02.2014 (picture alliance / dpa / Jan-Philipp Strobel)
Stephan Kaluzas neues Stück wird im Schauspielhaus Düsseldorf gespielt. (picture alliance / dpa / Jan-Philipp Strobel)

In Düsseldorf konnte man den Künstler Stephan Kaluza auf zwei Ebenen erleben: Kaluzas "3D", auf den ersten Blick ein schlichtes Konversationsstück über ein getrenntes Ehepaar, kam dort in der Regie von Kurth Josef Schildknecht auf die ebenfalls von Kaluza gestaltete Bühne.

Auf den ersten Blick ist "3D" ein Ehedrama in konventioneller Well-Made-Play-Manier. Nur das Bühnenbild, ein steril weißer Museumswürfel, weist darauf hin, dass es hier um Exemplarisches gehen soll. Auch die Figuren in dem Stück sind zunächst lediglich als A, B und C bezeichnet. Dann aber werden sie doch zu Albert und Bette.

Ein Neuanfang

Ein längst getrenntes Paar trifft sich nach zwanzig Jahren wieder und verstrickt sich in seiner Vergangenheit. Vorwürfe über den Tod der Tochter Clara fallen, Geheimnisse – und immer neue, unwahrscheinliche Wendungen ziehen die Handlung voran. Erst denkt man, Bette habe Albert willkürlich verlassen und ihm das Kind entzogen. Er, der Arme, sehnt sich nach der Rückkehr seiner Frau. Tanja Schleiff versteht es in der Rolle, der vermutlich gescheiterten Galeristin aus Amerika meisterhaft, sich immer wieder glaubwürdig zwischen begründeter Wut, übergriffiger Hysterie und leichtem Wahnsinn zu bewegen. Michael Abendroth dagegen ist zunächst ganz der reuige Karrieremensch.

Albert: "Das war also mein Zimmer. Und das dort war Claras Zimmer."  Bette: "Willst du es sehen?" Albert: "Nein ich möchte es nicht sehen!!! Ja, ja, mir fällt es auch schwer. Bette, lass uns das alles vergessen. Lass uns wieder im Hier und Jetzt leben. Ich hab es nur gut gemeint. Schade, dass unsere Wiederbegegnung so abläuft. Ich hatte gehofft, ... nur eine Hoffnung. War wohl nicht so. Ich war neugierig auf dich. Weißt du, mit der Erinnerung ist es nicht ganz leicht. Eine nach der Anderen kommt aus der Erde gekrochen. Auf einer Schleimspur auf deinem Mund."

Die überraschende Wende

Bald stellt sich heraus, dass alles ganz anders ist. Clara ist doch nicht gestorben. Sondern: Ihre Mutter hat sie vom Vater entfernt, weil er sie jahrelang sexuell missbraucht hat. Oder ist das auch nur eine psychotische Behauptung? Noch ein paar abstruse Minuten später wird klar, dass nicht Bette hier das Wort führt, sondern Clara. Gerade noch tot geglaubt, ist die Tochter in Wirklichkeit die verkleidete Ex-Ehefrau – was der Ex-Mann nicht erkannt hat. Doch was auf einmal wirkt wie ein höchst konstruierter, finaler Racheakt am omnipotenten Vater, erhält dann noch eine letzte abstoßende Wendung: "Ich liebe dich", sagt die Tochter und will fortan mit ihrem Vergewaltiger zusammenleben. Sie unterwirft sich erneut seiner Macht, denn Liebe findet sie ohnehin keine andere mehr. In ihrer seelischen Qual kann sie sich dem einzigen Konzept von Liebe, das sie kennt, nicht entziehen. Währenddessen durchläuft das zunächst so schlichte Bühnenbild von Stephan Kaluza mithilfe von Licht, Videoprojektionen und Boden-Absenkungen alptraumhafte Metamorphosen. Mal kriecht Albert wie ein unheimliches Insekt geifernd die Wand hoch, mal vervielfältigt sich der rote Schemen der Tochter, mal erscheint das Wohnungsinventar wie eine verblasste Erinnerung als grauer Schatten an der Wand: Hier ist kein realer Raum geschaffen worden, sondern eine Projektionsfläche für finsterste, geistige Gefängnisse.

Ein Machtsystem

Psychologisch deuten sollte man das Stück nicht, es wäre ein Hohn für jedes Missbrauchsopfer – und dazu ärgerlich absurd und unwahrscheinlich. Doch Regisseur und Bühne machen es deutlich: Es geht hier um etwas anderes. Der Zuschauer ist nur scheinbar Zeuge eines Missbrauchs. Die Figuren repräsentieren ein Machtsystem, aus dem man strukturell nicht ausbrechen kann.

Bette: "Wer selbst das Maß der Dinge besitzt, kann sicher maßlos sein. Das ist einfach. Deine Macht ist die, dass andere machtlos sind. Vor deiner Größe, vor deinem Besitz. Dein Haben ist nichts anderes, als dass sehr viele nichts haben." Albert: "Ja Ja, was willst du denn hören? Solche Leute sind wir eben! Immer mehr haben wollen... ist sehr anstrengend... du kriegst ja alles, was du willst, du kriegst es ja... Ficken... Frauen... Kinder gibt's dann obendrein obenzu. Vielleicht war es deshalb so schwer es nicht zu tun... mein Ding da rein... ja maßlos... maßlos...

Und so wird der Abend, der als solides Schauspielertheater in Boulevardmanier begann, zu einer alptraumartigen Untersuchung darüber, dass Gewalt nicht nur körperlich verändert, sondern tief in die Köpfe eindringt und zu eigen gemacht werden kann. Und ist dann doch deutlich komplexer und aufwühlender als ein konventionelles Ehedrama.