Michael Schultz Daily News Nr. 979
Michael Schultz Daily News Nr. 979
Berlin, den 16. Juni 2015 die Ankündigung über die von Kulturstaatsministerin Grütters geplante Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes schlägt hohe Wellen. Ein Ausverkauf deutscher Kultur wird befürchtet; Sammler und Handel schlagen Alarm. Für heute Abend hat die Ministerin ursprünglich zu einem Treffen eingeladen, bei dem sich ausgewählte Gäste aus Handel, Museen und anderen Bereichen der Bildenden Kunst über den Stand ihres Vorhabens informieren können. Die Staatsministerin lud zur konzentrierten Aussprache, die leider wegen einer kurzfristig einbestellten Sondersitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ersatzlos gestrichen wurde. Wenig Verständnis zeigte sie über einen offenen Brief des Deutschen Kunsthandels, in dem dieser vor den Folgen der Gesetzesnovellierung warnte. Daher ist sie der Meinung, 'dass es besser ist, wenn wir uns nach der Kabinettsbefassung über den dann beschlossenen Gesetzentwurf austauschen. Dann werden sie sehen, dass viele ihrer Behauptungen und Befürchtungen nicht zutreffen', gibt die Staatsministerin den ausgeladenen Gästen mit auf den Weg. Zum besseren Verständnis nachfolgend der Link der Bundesregierung, in dem das Gesetzesvorhaben vorgestellt wird: http://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Bundesregierung/BeauftragtefuerKulturundMedien/kultur/kulturgutschutz/_node.html Unter der deutschen Künstlerschaft und insbesondere im Handel gibt es erhebliche Bedenken gegen dieses Vorhaben. Kulturstaatsministerin Monika Grütters will mit ihrer Gesetzesnovelle die Handhabung von Ländern wie Italien, Spanien oder auch England auch bei uns einführen. Damit will sie erreichen, dem Staat den Zugriff auf alle Arbeiten zu ermöglichen, die durch ihre Kommissare (aus welchen Gründen auch immer) als schützenswert empfunden werden. Das Gesetz soll als Instrument benutzt werden, um den zuständigen Landesbehörden die Sicherstellung von Kulturgut zu ermöglichen. So sollten alle archäologischen Gegenstände, die mehr als 1.000 Euro wert sind, Gemälde und Bilder mit einem Mindestwert von 150.000 Euro vor einer geplanten Ausfuhr überprüft werden. Dies soll auch innerhalb Europas so geschehen. Dies widerspricht dem Geist der europäischen Charta und schafft neue kulturelle Grenzen, die wir längst als überwunden sahen. Den ˈExpertenˈ obliegt es, künftig die Ausfuhr zu genehmigen oder zu verhindern. Wie diese eingesetzt werden, welche Qualifikationen sie haben müssen und ab wann Kultur vor Ausfuhr geschützt werden soll, das steht alles in den Sternen. Der Willkür ist hier Tür und Tor geöffnet. Der Berliner Kulturanwalt Peter Raue schreibt dazu in einem Bericht im Tagesspiegel vom 13. Juli 2015: ˈDer Staat verschafft sich mit diesem Gesetz das Recht, bei allen einschlägigen Kunstwerken (einschließlich Kunstgewerbe) die Ausfuhr zu verbieten. So kommt der Staat - angesichts des gesperrten internationalen Marktes - billig an all das heran, was er gern in den deutschen Museen und Archiven hätte.ˈ Am Beispiel der veräußerten Tagebücher von Alexander Humboldt, die zur Sanierung des Humboldtschlosses verwendet werden sollen, wurde deutlich, wie das geschehen kann. Die Tagebücher wurden nach England verschafft und sind dort versteigert worden. Mitgeboten hatte auch die Bundesrepublik Deutschland, die letztlich das Konvolut zu einem niedrigen zweistelligen Millionenbetrag erhalten hat. Nach der geplanten Novellierung hätten die Tagebücher niemals ausgeführt werden können, und man hätte die Eigentümer ˈda es in Deutschland keinen Markt für den Erwerb solcher Archivarien gibtˈ (Raue), statt des gezahlten Betrags womöglich mit weniger als 1 Million Euro abgefundenˈ. Anhand dieses Beispiels befürchten die Sammlerschaft und auch der Handel eine ˈkalte Enteignungˈ ('Welt'). Insbesondere unter der Berücksichtigung, dass es in Deutschland schon einmal eine Kulturgutbestimmung gab, über deren verheerenden Auswirkungen wir heute noch beschämt sind, sind diese neuen Bemühungen nicht wirklich durchdacht. Überhaupt nicht definiert wird im Gesetz eine klare und eindeutige Regelung, wann oder wie Kulturgut auf die Listen der Kulturschutzbehörden kommt. Es gibt keinen nachvollziehbaren Kriterienkatalog, die Entscheidungshoheit obliegt den von den Landeskulturbehörden auserwählten Experten. Bei der Handhabung zur Aufspürung vermutlicher Kulturschutzgüter sieht der Gesetzesentwurf weiterhin vor, dass ˈsachverständigen Personen der Zutritt zu Wohnungen oder Gebäuden in denen Kulturgut verwahrt wirdˈ, ermöglicht werden soll, und weiter heißt es, ˈdas Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung ... wird insofern eingeschränktˈ. Hier nähert sich der Gesetzgeber der Einschränkung von Persönlichkeitsrechten, die wir aus der NS-Zeit und zu Teilen auch aus der ehemaligen DDR kennen. Die Nazischergen haben unter Umgehung von Eigentums- und Persönlichkeitsrechten Kultur zerstört oder aus unserem Land verbannt. Schalck-Golodkowski hat unter aberwitzigen Vorwänden die Bürger der DDR von ihren Kulturschätzen enteignet. Das was jetzt Frau Grütters vorhat, findet zwar unter einem anderen Deckmantel statt. Im Prinzip aber gleichen sich im Ergebnis die Handlungen. Aufschlussreich zu diesem Thema ist ein Interview, das der Münchner Kunsthändler Konrad O. Bernheimer am 14. Juni der 'Welt am Sonntag' gegeben hat. Nachzulesen unter: http://www.welt.de/print/wams/kultur/article142441959/Es-tut-mir-leid-das-ist-kalte-Enteignung.html Sollte das Gesetz, so wie es augenblicklich vorgestellt wird, verabschiedet werden, schränkt dies die Handlungsfähigkeit für Sammler und Händler bei uns im Land erheblich ein. Die Besitzer von Kunstwerken, die als schützenswert in Betracht kommen können, werden tunlichst dafür sorgen, dass vor der Verabschiedung ihre Kunst für immer ins Ausland verbracht wird. Auch wird die Möglichkeit deutlich einschränkt, dass ein deutscher Sammler ein bedeutendes Kunstwerk für viel Geld im Ausland erwirbt, um es dann sofort bei Ankunft in der Heimat mit einem Abschlag von mindestens 60 Prozent des Kaufpreises in seine Bücher zu nehmen. Sammler und Händler sind augenblicklich sehr verunsichert, weil sie über ihr Eigentum künftig nicht mehr wirklich frei entscheiden können. Dies wird zu Folge haben, dass das vorgesehene Gesetz mehr Kunstschätze aus dem Land abführt, als diese für Deutschland zu erhalten. Freiwilligkeit zur Bewahrung von Kulturschutzgut war schon immer das beste Vehikel, um Kunstschätze im Land zu halten. Andauernde Schenkungen großer Sammlungen an wichtige Museen belegen dies. Sobald Zwang und gesetzliche Regularien ins Spiel kommen, verändert dies die Schenkungskultur. Das in diesem Zusammenhang von Georg Baselitz angekündigte Abziehen von Dauerleihgaben aus deutschen Museen ist daher eher nicht förderlich, weil mit diesem Akt die Freiwilligkeit aufgegeben wird. Aus Dauerleihgaben Schenkungen zu machen, wäre jetzt der richtige Schritt, der zum Umdenken der Kulturbehörden führen könnte. Auf einer gestern einberufenen Pressekonferenz war Monika Grütters sichtlich bemüht, den Kunstfrieden im Lande zu bewahren. Zu hoffen bleibt, dass dies der erfahrenen und allseits geschätzten Kulturpolitikerin auch gelingen wird. Das Mindestalter von schützenswerten Kulturgut wurde von 50 auf 70 Jahre hochgesetzt und die Wertbemessung von 150.000 auf 300.000 verdoppelt. Im Newsletter von gestern haben wir Bagdad genannt und Teheran gemeint. Dort wurde logischerweise die Verabschiedung des Atomabkommens gefeiert. Tut uns leid.
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