Michael Schultz Daily News Nr. 966

Michael Schultz Daily News Nr. 966

die Titelseiten aller überregionalen deutschen Tageszeitungen beschäftigen sich heute mit den außer Kontrolle geratenen Aktivitäten der griechischen Regierung. In einem Referendum will Präsident Tsipras das griechische Volk entscheiden lassen, was zu tun ist: entweder weiter kräftig sparen oder den Euro verlassen. Morgen endet das laufende Hilfsprogramm, und damit endet nicht nur die Grundlage für weitere (noch offene) Zahlungen an Griechenland; es endet auch das Stützungsprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) für die griechischen Banken. 

So titelt die 'Bild' heute mit 'Der Grexit-Krimi'; die 'FAZ' etwas nüchterner mit 'Griechenland vor der Zahlungsunfähigkeit'. Das 'Handelsblatt' treffend mit 'Schock für Europa', dagegen recht brav die 'Süddeutsche Zeitung' mit dem Aufmacher 'Griechenland schließt seine Banken'; die 'TAZ' stellt die Frage 'Demokratie oder Wahnsinn', und der Berliner 'Tagesspiegel' resümierte bereits gestern auf dem Titel 'Griechenland rutscht in die Pleite'.

Das Ende also ist, oder wird, eingeläutet. Wie genau es jetzt weitergehen wird, darüber rätseln selbst die mit dem Thema Vertrauten. Die Kanzlerin will sich heute mit den Chefs aller im Bundestag vertretenen Parteien beraten; für morgen ist nicht auszuschließen, dass es in Brüssel einen weiteren EU Gipfel geben wird. 

Doch die Zeichen stehen auf Grexit, am Samstag lehnten die EU Finanzminister einen weiteren Aufschub ab; dieser wurde notwendig, weil Tsipras sein Volk am 5. Juli abstimmen lassen will. Dazu gekommen ist es, weil Tsipras das letzte Angebot der EU als 'Erniedrigung eines ganzen Volkes' ansah. Ohne dessen Votum könne er dem nicht zustimmen.

Im Kern ging es im 'ultimativen' Verlangen der EU Gläubiger um die Kürzung der Renten und die Anhebung der Mehrwertsteuer. Im Gegenzug wollte Europa bis November insgesamt 15 Milliarden an zusätzlicher Hilfe bereitstellen. Besonders die Renten liegen Tsipras am Herzen, ihre Empfänger sind es in der Hauptsache gewesen, die ihm zu seinem Wahlerfolg verholfen haben. Aus seiner Sicht ist es verständlich, dass er eine weitere Kürzung nicht ohne deren Zustimmung vollziehen will.

Tsipras hat sich, so sieht es zumindest aus, mit seinen Verhandlungen in eine Sackgasse  manövriert. Gut möglich, dass die Verkündung des Referendums eine seiner letzten Amtshandlungen war. Dennoch kann er aber auch als der große Retter Griechenlands in die Geschichte eingehen. Doch darüber entscheidet er nicht mehr alleine, nur noch die Gnade von Hollande und Merkel könnten ihm in seiner Heimat zum Lorbeer verhelfen. Wie die sich allerdings entscheiden, steht in den Sternen.

Leidtragend bei diesem ganzen Dilemma ist das griechische Volk, dessen Wirtschaft und vor allem die Tourismusindustrie. Ab heute sind für eine Woche die Banken geschlossen; die Griechen selbst dürfen nur bis zu 60 Euro täglich aus dem Automat ziehen. Ausländische Karten sind von dieser Einschränkung nicht betroffen. Trotzdem wird europaweit darüber referiert, wie und ob bereits gebuchte und bezahlte Reisen stornierbar sind und wie man sich als Urlauber, der sich jetzt gerade in Griechenland befindet, verhalten soll. Diskussionen, die das Land noch weiter in den Abgrund ziehen.

Sollte es mit Griechenland und Europa wirklich nicht mehr gehen, wäre es ratsam, den Ausstieg professionell und emotionslos zu begleiten. Ohne finanzielle Mittel wäre ein geordneter Rückzug ohnehin nicht möglich. Noch schützen die Griechen die gefährlichste Flanke unserer Staatengemeinschaft; fällt diese weg gibt es für die radikalen IS Verbände freie Fahrt direkt ins Herz Europas. 

Vieles also ist im Argen. Auch wenn der Grexit jetzt gar nicht mehr aufzuhalten ist, Griechenland wird noch lange Thema in Europa sein. Vielleicht sollte man in Brüssel nochmal nachrechnen, was uns am Ende teurer zu stehen kommt.  

Aufregende und spannende Tage stehen uns bevor. Es wäre schon traurig, wenn auch die europäische  Liebesgeschichte so enden wird wie in Mireille Mathieus 'Akropolis Adieu'. Dort heißt es unter anderem 'Akropolis Adieu! Ich muss gehen. Die weißen Rosen sind verblüht, was wird geschehen. Ich wär so gern geblieben; Akropolis Adieu.' 

Mal sehen, was passiert.

 

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