Annette Merrilds fotografische Serie über Self Bondage, ‘Self Control‘, sprengt die Grenzen hegemonialer sexueller Paradigmen. Self Bondage, englisch für Selbstfesselung, wird von ihren Protagonistinnen nicht nur, wie üblich in der Szene, als verstärkendes Vehikel zum Lustgewinn im Rahmen eines autoerotischen Szenarios benutzt. Sie entkleiden der Praktik der Selbstfesselung den Mantel des Perversen und erheben die Knüpfkunst zum ästhetischen Imperativ. Nicht das alleinige Abweichen von der sexuellen Norm steht im Zentrum, sondern die künstlerische, zum Lebenskunstprinzip gewordene, Inszenierung. Als Mittlerin zwischen diametral zueinander stehenden menschlichen Erfahrungswirklichkeiten, nämlich die des Rezipienten und Künstlers, bedient Merrild sich der Fotografie als Kommunikationsmittel. Hierbei wird das Bildgeschehen anhand verschiedener, der Malerei entliehener Stilmittel, wie dem dunklen Hintergrund, um die Aufmerksamkeit auf das Künstlerische zu richten, komponiert. Neben den Reminiszenzen an Caravaggio, hervorgerufen durch den Kontrast des Inkarnats, setzt Merrild ihre Modelle mithilfe choreografischer Anweisungen in eine Positur, die den Eigenwert der Seile hervorhebt. Hierbei rekurriert sie oft auf dramaturgische Bildformen, die entweder aus der Tradition klassischer Malerei oder experimenteller Fotografie entnommen worden sind. Die Fesselungen werden von den Frauen selbst geknüpft und versteckt unter der eigentlichen Tageskleidung getragen. Zweck hiervon sind mitunter der Reiz an der Selbstkontrolle und der Spaß am Umgehen gesellschaftlicher Normen. Keinesfalls ordnen sich die Frauen als Objekt einem dominierenden sexuellem Subjekt unter. Fesselungen, die Entscheidungsautonomie einschränken, sind nicht vorzufinden. Merrilds Aufnahmen stehen gleichzeitig für eine emanzipierte Auslegung weiblicher Sexualität, die ideengeschichtlich betrachtet im feministischen Diskurs zu verorten ist und einen wichtigen Beitrag zur postmodernen ‚Feminist Art' darstellt.
Annette Merrild wurde 1972 in Dänemark geboren. Nach einem Studium der klassischen Maltechniken an der Schule für Visuelle Kunst in Kopenhagen von 1992 bis 1993 arbeitete sie für ein Jahr ab 1995 als Holzschnitzerin bei der Cooperation Akamba Handcrafts Industry in Mombasa, Kenia. 1996 bis 2002 war sie an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg Studentin, lernte unter Werner Büttner sowie Bernhard Blume und schloss das Studium als Meisterschülerin ab. 2004 erhielt sie dort das Ehrendiplom von Franz Erhard Walther. Ihre konzeptuellen Fotografien wurden bislang erfolgreich in Beverly Hills, Hamburg, Kopenhagen, London, Madrid, St. Petersburg und Warschau ausgestellt. Annette Merrild lebt und arbeitet in Barcelona.