Michael Schultz Daily News Nr. 981

Michael Schultz Daily News Nr. 981

Lissabon, den 20. Juli 2015

Konstrukteuren von Flugzeugen wird heutzutage viel abverlangt. Einerseits sollen sie mit ihren Produkten absolute Sicherheit garantieren, und andererseits müssen diese immer sparsamer werden, damit sie dem enormen Preiskampf, der seit einem guten Jahrzehnt am Himmel tobt standhalten können. Bei Wind und Wetter wohlgesagt; die wohl am schwersten zu berechnenden Faktoren in der zivilen Luftfahrt. Die Technik in den neueren Generationen der Linienjets ist zwar extrem weit entwickelt, doch immer wieder kommt es zu Unfällen mit fatalem Ausgang.

Die Untersuchungen von Flugzeugabstürzen, auch Katastrophen genannt, ergeben in den meisten Fällen, dass es selten am Material lag, sondern an den Menschen, die zum Führen der Maschinen eine Lizenz besitzen. Weltweit gibt es über 300.000 Verkehrspiloten, die in den unterschiedlichsten Fliegerkulturen beschäftigt sind. Sie arbeiten für hunderte von Airlines, und tun dies in der Abgeschiedenheit ihrer Cockpits; dort wo ihnen niemand von außen auf die Finger schauen kann.

'Einige dieser Piloten sind hervorragende Flieger', berichtet der Fachjournalist William Langewiesche, 'die meisten jedoch sind Durchschnitt und einige sind einfach schlecht. Zu allem Übel halten sich, mit Ausnahme der besten, alle für besser, als sie tatsächlich sind.' In einer von Airbus in Auftrag gegebenen Studie wird dies bestätigt. Piloten, von den Passagieren gerne zu Göttern stilisiert, sind in Wirklichkeit Menschen wie jeder andere auch. Einige werden unter Druck zu Helden, andere ziehen den Kopf ein und laufen davon. Alle gängigen Tests, die während der Lehrjahre durchgeführt werden, reichen nicht aus, um die für den Flugbetrieb wirklich tapferen auszusortieren.

Also versuchen die Hersteller ihre Fluggeräte immer sicherer zu konstruieren. Seit den 1980er Jahren hat sich die Sicherheitsbilanz erheblich verbessert: heutzutage kommt nur noch ein Unglück mit Todesfolge auf 5 Millionen Starts. Das Flugzeug ist schlechthin das sicherste Verkehrsmittel, das es gibt.

Nichtsdestoweniger gibt es Zweifler, selbst unter den Leuten, die für die neuen Sicherheitsstandards verantwortlich sind. Delmar Felden, einst einer der Cockpit Chefkonstrukteure bei Boeing erklärte: 'die Technologie deckt 98% der Situationen ab, die vorhersehbar sind. Die restlichen 2% müssen von den Piloten bewältigt werden. Daraus ergibt sich ein erhebliches Problem, weil die Piloten nur in diesen Notfällen zur Handlung befugt sind. Alles andere erledigt der Computer. Aber gerade die Probleme, die in den Systemen nicht gespeichert sind, sind diejenigen, die am schwersten zu bewältigen sind'.

Die manuellen Flugfertigkeiten verkümmern immer mehr; außer bei Starts und Landungen gibt es ein gemütliches Leben im Cockpit. Ein Flugzeugführer, der beispielweise eintausend Flugstunden auf dem Konto hat, bewegt in dieser Zeit (großzügig gerechnet) nicht mehr als 12 Stunden den Flieger selbst. Alles andere erledigt der Computer. Den Großteil ihrer Arbeitszeit verbringen die Piloten damit, 'in einem Cockpit den Maschinen bei der Arbeit zuzusehen'. (Lettre International, No. 109) Die Arbeit der Piloten bestünde im Wesentlichen darin, sich selbst von Hotelzimmer zu Hotelzimmer zu bewegen.

Richtig gefährlich wird es in den Augenblicken, in den denen die Piloten ohne große Not den Computern ihre Arbeit abnehmen. In einer solchen Situation verschwand am  31. Mai 2009 ein lammfrommer Airbus A330 der Air France  über dem Atlantik zwischen Brasilien und Frankreich. Anfänglich wurde für das Verschwinden die über dem Äquator wütenden Unwetter verantwortlich gemacht. Nach der Auswertung des in 4000 Meter Meerestiefe gefundenen Flugschreibers und des Stimmenrekorders ist bekannt, dass der Absturz durch Piloten verursacht wurde, nachdem sie ohne Nöte die Maschine in eine Situation manövriert haben, die dann für sie nicht mehr zu bewältigen war.

Wie das alles geschehen konnte; auch eine kleine Chronologie des Geschehens; darüber berichten wir morgen.