Michael Schultz Daily News Nr. 999

Michael Schultz Daily News Nr. 999

Lissabon, den 13. August 2015

auch für den Kunsthandel ist die Welt ein wenig kleiner geworden. Die Geschäfte, die früher vornehmlich im Umkreis des Standortes gemacht wurden, haben sich verlagert. Das An- und Verkaufen von Kunst, die Akquisition von Ausstellungen, das Aufspüren neuer Künstler, aber auch die Pflege bestehender Kontakte und Verbindungen ist mittlerweile ein weltumspannendes Business. Auch, wenn Vieles übers Netz auf den Weg gebracht werden kann, am Ende verhandeln wir von Angesicht zu Angesicht. Flexibilität ist das Zauberwort, darüber generieren wir Erfolg. Sogar im Hochsommer; dort arbeiten, wo andere Ferien machen ist so schlecht auch nicht.

Zu Hause in der Heimat verdichtet sich die Front gegen die Politik des Kulturstaatsministeriums. Nachdem Galeristen, Händler und Sammler ihren Unmut über die geplante Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes lautstark verbreitet haben, beklagen sich jetzt auch die Künstler über die fortschreitende Verschlechterung auf dem Kunstmarkt. Vieles ist im Argen, dazu gehört neben dem Kulturgutschutz eine Mehrwertsteuer-Ungerechtigkeit, die es wohl in keiner anderen Branche so gibt. Von den Künstlern werden 7% erhoben, der Handel hingegen ist mit 19% belastet. Monika Grütters wollte alles dafür tun, dass es zu einer dem Handel versprochenen Ausgleichsregelung kommt. Geschehen ist nichts, weil die Länderfinanzminister der Anwendungsverordnung nicht zugestimmt hat. Eine ganze Branche wurde für dumm verkauft.

Die Folgen der Abgabenwut machen sich auch bei den Künstlern bemerkbar. Einer von ihnen ist initiativ geworden, und hat sich in einem Brief an den Berufsverband Bildender Künstler (BBK) gewandt. Rund hundert Künstler haben das Schreiben mit unterzeichnet, unter ihnen Gregor Hildebrandt, Alicja Kwade, Römer + Römer, Eva & Adele, Wolfgang Petrick sowie der Verfasser René Wirths. Wegen der Brisanz des Themas geben wir den Wortlaut des Schreibens  im Folgenden leicht verkürzt wieder:

Liebe Kolleginnen und Kollegen vom BBK,

mein Name ist René Wirths. Ich bin Bildender Künstler und wende mich in diesem Brief an Sie, weil Sie den Anspruch erheben, meinen Berufsstand und damit auch mich zu vertreten. Ich gehe hierbei von meiner persönlichen Situation aus, sehe mich aber durchaus als stellvertretend für sehr viele Kolleginnen und Kollegen.

Ich werde vertreten von einer Galerie, deren Arbeit sich vornehmlich auf den deutschsprachigen Raum konzentriert. Ich bin kein internationaler Star, konnte aber in den letzten Jahren von meiner Arbeit als Maler leben und sogar weitgehend meine Familie ernähren, worüber ich sehr dankbar bin. Ich bin Vater von zwei Kindern und mit der Künstlerin Nicole Wendel verheiratet.

In den letzten zwei Jahren verschlechterte sich unsere finanzielle Situation zusehends. Natürlich gibt es dafür viele Ursachen. Einen Grund verorte ich allerdings in der zunehmenden Verschlechterung der Konditionen für den Kunsthandel in Deutschland. Die Mehrwertsteuererhöhung von 2014 mit einer ewigen Phase der Unklarheit über die genauen Verfahrensformen haben Händler wie Sammler sehr irritiert. Dies und die erhöhten Beiträge für Folgerecht und KSK  (Künstlersozialkasse) für jedes verkaufte Bild, die mittlerweile bei über 10 % vom Verkaufspreis liegen, belasten ganz massiv die Kalkulationen von Galeristen und Kunsthändlern. Insbesondere kleinere und mittelgroße Galerien, die immer schon knapp kalkuliert haben, können keine gute Galeriearbeit mehr betreiben weil ihnen finanziell die Hände gebunden sind. Oft werden, so höre ich von einigen Künstlerkollegen, auch aus der Not heraus, diese Belastungen direkt an die Künstler weitergegeben. Und nun steht auch noch ein Referentenentwurf zur Neuregelung des Kulturschutzrechts zur Disposition, das zur totalen Kontrolle des Staates über den privaten Besitz an Bildender Kunst führen könnte. Dieses Gesetz würde, stark vereinfacht, einem großen Teil älterer bis klassisch moderner Kunstwerke im privaten Besitz zum Nationalen Kulturgut erklären, was bedeutete, dass es nicht mehr aus Deutschland ausgeführt und damit einem massiven Preisverfall ausgesetzt wäre. Da diese Definition des Nationalen Kulturguts auch gelten soll für sämtliche Dauerleihgaben von einzelnen Werken und ganzen Sammlungen an deutsche Museen für Zeiträume über fünf Jahre, ist zu befürchten dass neben den Sammlern, die sich dieser staatlichen Einwirkung natürlich entziehen werden, indem sie Kunst, wenn überhaupt, nicht mehr in Deutschland kaufen und halten werden, und den Kunsthändlern, die massive finanzielle Einbrüche zu erwarten haben.

Nun kann man fragen: Was hat die Klassische Moderne mit mir zu tun? Die Antwort ist einfach: Sehr viel, denn viele Galerien generieren ihr Geld aus dem Handel mit hochpreisigerer Kunst, um damit noch nicht etablierte Positionen unterstützen zu können. Der Handel ist also eine Basis für die eigentliche Galeriearbeit. Bricht dieser zusammen, dann leiden letztlich fast alle Beteiligten im hiesigen Kunstbetrieb darunter. Nur ein paar Wenige, die es nicht benötigen, werden auch von dieser Situation profitieren können.
(.....)

Wollen wir nur das bereits etablierte Kulturgut bewahren und schützen oder wollen wir den Raum gewähren dafür, dass auch weiterhin neues geschaffen werden kann? Ich als Künstler begreife die Galeristen als natürliche Verbündete. Man kann ja zu einzelnen von ihnen stehen wie man will, aber sie sind in der Lage zwischen der Welt der Wirtschaft und uns zu vermitteln und ermöglichen es wenigstens einigen von uns, von der künstlerischen Arbeit leben zu können. Es kann daher gar nicht genug von ihnen geben! Das Gegenteil deutet sich allerdings an: ein massives Galeriensterben droht! Das nutzt niemandem, schon gar nicht uns Künstlern, die wir am Anfang und am Ende der Kette stehen!

Man muss kein Wirtschaftsliberaler sein um zu erkennen: Der zunehmende Druck auf Kunsthandel und Sammler schadet dem gesamten deutschen Kunstbetrieb, also uns allen! Wir Künstler fühlen uns durch diese Entwicklungen massiv in unserer Existenz bedroht! Ich fordere Sie und Euch als Vertreter unseres Standes auf, sich an höchster Stelle für unsere Belange einzusetzen und dafür zu sorgen, dass der Kunsthandel nicht kaputt reguliert wird'. (Zitat Ende)

Druck von ganz unten, das ist das Wenigste, was sich die Kulturpolitiker leisten können. Dieser Brief ist mit Sicherheit ein guter Ansatz, um mehr Aufmerksamkeit in die Nöte und Belange einer ganzen Generation von jüngeren Malern und Bildhauern zu schaffen.  Als Gewerkschaftsorganisation ist der BBK nicht gerade ein Freund des Handels. Dort versteht man die Galeristen nicht als Verbündete, sondern eher als Feinde der Künstler. Gut, dass nun aus Künstlerhand die anscheinend fest betonierte Meinung der Gewerkschaftler erste Risse bekommt. Wurde Zeit. Wirklich.